Vereinsgeschichte auf einem Blick
Das Höchstädter Haus der Vereine auf dem Schlosshügel ist um eine Attraktion reicher. Maßgeblich unterstützt durch das Regionalbudget vom Amt für ländliche Entwicklung und die Brückenallianz Bayer-Böhmen entstand im bisher weitgehend als Tisch- und Stuhllager genutzten „Raum III“ der „Raum der Erinnerung“. Auf einer Historienwand leistet der ATV Höchstädt anhand seiner eigenen Vereinsgeschichte einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen extremistisches Gedankengut. Stellvertretender Landrat Roland Schöffel lobte bei der offiziellen Übergabe die neue Einrichtung als wichtigen historischen Meilenstein. Höchstädts zweiter Bürgermeister Uwe Döbereiner bedankte sich bei Initiator Martin Schikora und den beteiligten Unternehmen für die professionelle Konzeption und Umsetzung.
Bildschirmpräsentation integriert
113 Jahre gibt es den Arbeiterturnverein in Höchstädt bereits – was an und für sich keine besondere Jahreszahl darstellt. Wo im heutigen „Raum der Erinnerung“ die Historienwand mit integriertem Präsentationsbildschirm angebracht ist, hingen früher Fotos von Fußballern, Radsportlern und Gymnastikdamen in bunt gemischten Bilderrahmen der unterschiedlichen Epochen – für die einen schmucke Erinnerungsschnappschüsse, für die anderen ein unsortiertes Sammelsurium auf Zelluloid gebrannter Vereinsmomente. Es fehlte der rote Faden.
Dies nahm ATV-Vorsitzender Martin Schikora, der auch das 340-seitige Chronikbuch „100 Jahre ATV Höchstädt – vom politischen Turnverein zum Familiensportverein mit Kultur“ geschrieben hat, zum Anlass, anhand der Vereins- und Ortsgeschichte wichtige Zusammenhänge herauszuarbeiten, um in der Retroperspektive frühere Entscheidungen und Verhalten erklärbar zu machen. In Regionalmanagerin Sabine Ehm fand er eine interessierte Mitstreiterin, die das Projekt gemeinsam mit dem Entscheidergremium der Brückenallianz Bayern-Böhmen positiv begleitete.
Schnell wurde im Umsetzungsprozess klar, dass es bei Weitem nicht alle Personen oder Ereignisse auf die Historienwand schaffen werden. Dafür ist die Geschichte des Schlosshügels schlicht zu umfangreich: 1926 entstand im Höchstädter Norden der erste Turnheimbau. 1933 wurde das Eigentum des ATV Höchstädt von drei Höchstädter Nationalsozialisten zwangsenteignet und in der Folge der Wunsiedler Hönicka-Brauerei übereignet. Auf Anregung eines örtlichen Landwirts fanden ab 1937 Hitler-Jugendlager auf dem Schlosshügel statt. 1942 verkaufte die Hönicka das Areal samt Turnerheim an Porzellanhersteller Rosenthal, der seinerzeit polnische Fremdarbeiter in dem Gebäude unterbrachte. Sie gruben in Handarbeit die heute noch bestehende Wasserleitung auf den früher Bischofshügel genannten Berg.
Vereinsheim zweites Mal gekauft
1945 in Thierstein als Zentralverein wiedergegründet bemühte man sich sofort, das vormalige Vereinseigentum wiederzuerlangen. Die früheren ATV-ler waren von der amerikanischen Besatzungsmacht als Vereinsführung eingesetzt und verwalteten zu dieser Zeit auch die Vereinsvermögen der Turngemeinschaft, des Gesangvereins und aller weiteren in der Hitler-Zeit weiter bestehenden Organisationen. Erst nach und nach kehrte wieder Normalität ins Höchstädter Vereinsleben und im Zuge der Entnazifizierung bekamen alle Organisationen ihre Eigenständigkeit zurück. Erst Anfang der Fünfzigerjahre gelang es nach langwierigen Verhandlungen mit Rosenthal das zwangsenteignete Heim ein zweites Mal zu kaufen. Der ATV Höchstädt war begünstigt durch zahlreiche schlesische Flüchtlinge im Ort mittlerweile zum Fußballverein geworden. Da gründete sich mit dem FC Höchstädt ein weiterer Kicker-Klub, was die Fronten im Dorf weiter verhärtete.
Diese politischen Gräben führten im weiteren Fortgang unter anderem zum Bau von zwei Turnhallen, zwei Sportplätzen und zu einer immer tiefergehenden Abgrenzung zwischen „denen da oben und denen da unten“. Erst in der Ära von Bürgermeister Rudolf Reichel folgte eine Befriedung der unterschiedlichen Lager. Er war im Rahmen der Dorferneuerung 2005 auch maßgeblich am Neubau des Höchstädter Haus der Vereine beteiligt und realisierte gegen einige Widerstände die bustaugliche Zufahrt über die Selber Straße, die heute völlig zu Recht seinen Namen trägt. Dass der Höchstädter Ehrenbürger mit seinem politischen Instinkt richtig lag, unterstreicht die Nutzer- und Gästeliste der Höchstädter Tagungseinrichtung. So sind zum Beispiel der Bayerische Bauernverband, die Jägerschaft Fichtelgebirge, der Fußballverband, die LG Fichtelgebirge, der Rinderzuchtverband und viele weitere Organisationen Nutzer des Schlosshügels. Natürlich steht das Haus der Vereine auch allen Vereinen und Organisationen innerhalb der Brückenallianz Bayern-Böhmen zur Verfügung. Der ATV Höchstädt und sein Team von der Betreibergesellschaft Hübel UG sorgen für die Bewirtschaftung mit gutbürgerlicher, deutscher Küche.
Kleingruppen bis zu 35 Personen können den neuen „Raum der Erinnerung“ mit seiner kompletten Präsentationstechnik nutzen. Ein 24 Personen fassender Zwischenraum ist mittlerweile als putziges Café geöffnet. Die Berggaststätte, die im vorderen Raum untergebracht ist, fasst bis zu 60 Personen. Sie ist beliebt für Familien- und Firmenfeiern. Werden die jeweiligen Trennwände entfernt, fasst das Höchstädter Haus der Vereine sogar 140 Personen. Dank der Farbkombination ist dann auch ein Schwarz-Rot-Gold erkennbar. „Denn Nationalstolz wollen und dürfen wir gerne zeigen“, schilderte Ideengeber Martin Schikora. Lediglich vor Extremismus möchte das neue Geschichtsdenkmal warnen, was auch stellvertretender Landrat Roland Schöffel freundlich unterstrich: „Das habt ihr überzeugend umgesetzt. Wir als Wunsiedler stehen da voll auf eurer Seite.“
Die Historienwand im „Raum der Erinnerung“ auf dem Schlosshügel ist zu den üblichen Öffnungszeiten jederzeit oder nach telefonischer Rücksprache unter 0160/95186307 zu besichtigen. Der breiten Öffentlichkeit zugänglich ist der Raum am dritten Adventssonntag nach dem Mittagstisch ab 13.30 Uhr. Hier hat auch das angrenzende Café geöffnet.